top of page
IMG_5272.jpg
Akademisches Fechten

Wie fast alle Corps ist auch Marchia pflichtschlagend. Wir betreiben also das akademische Fechten. Pflichtschlagend bedeutet, dass jedes Mitglied des Corps in seiner Aktivität eine bestimmte Anzahl von Mensuren, die Pflichtpartien, absolvieren muss. Die Mensur ist eine streng reglementierte Angelegenheit, die zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Verbindungen, die sich auf einem ausgeglichenen technischen Niveau befinden, mit scharfen Waffen ausgetragen wird. Man ficht also nie mit Mitgliedern seines eigenen Corps. Bei der Mensur ist der Fechtende, der Paukant, durch verschiedene Ausrüstungsgegenstände vor allen wirklich gefährlichen Verletzungen geschützt. Was bleibt ist das Risiko einer Schnittwunde am Kopf. Zur medizinischen Absicherung ist bei jeder Partie mindestens ein Arzt zugegen, der eventuelle Verletzungen sofort behandeln kann. Die Zeiten, zu denen die dabei entstehenden Narben, die Schmisse, der Stolz eines jeden Corpsstudenten waren, sind aber vorbei. Vielmehr ist unser Ziel, alle Märker möglichst heil durch Ihre Pflichtpartien zu bringen und ihnen das dazu notwendige technische Können im Fechtunterricht, den Paukstunden, zu vermitteln.

 

Das studentische Fechten ist sicherlich in der Öffentlichkeit oft ein Reizthema. Allzu leicht werden hier Halbwissen und Klischees bedient. Tatsächlich ist für Außenstehende auf den ersten Blick schwer verständlich, wieso junge Studenten mit scharfen Waffen Mensuren austragen. In unseren Augen hat dies aber auch im 21. Jahrhundert durchaus seine Berechtigung.

Dazu gibt es ein paar gängige Begründungen, die alle auf ihre Art zutreffen. Zum einen demonstriert der fechtende Corpsbruder, dass er bereit ist, ein gewisses Risiko für sein Corps auf sich zu nehmen. Das Corps hat eine Menge Vorteile zu bieten. Doch wer diese genießen will, der muss auch bereit sein, dafür etwas zu investieren. Wem es nicht um die Corpsgemeinschaft an sich, sondern nur um seine persönlichen Vorteile geht, der wird kaum – sprichwörtlich – seinen Kopf für das Corps hinhalten.

Darüber hinaus schweißt das gemeinsame Trainieren und die Vorbereitung auf die Mensur als Extremsituation die Aktiven enorm zusammen. Man arbeitet als Team auf eine Herausforderung hin, die zwar jeder für sich bestehen muss, bei der aber jeder Corpsbruder mitfiebert und deren Ausgang auch für das ganze Corps von Bedeutung ist.


Diese für sich absolut berechtigten Erklärungen können aber dem individuellen Erlebnis, das die Mensur für jeden einzelnen Corpsstudenten darstellt, kaum gerecht werden. Denn letztendlich steht der Paukant alleine vor seinem Gegenüber und dessen scharfer Klinge. Jeder, dem eine solche Situation bevorsteht, empfindet wenn nicht Furcht, so doch zumindest großen Respekt. Und genau darum geht es im Kern. Um die Überwindung der eigenen Angst in einem psychisch und physisch extrem fordernden Moment. Jede Illusion über das eigene Selbstbewusstsein geht dabei verloren und es zählen keinerlei Ausflüchte mehr, mit denen man vielleicht sonst die eigenen Schwächen vor sich selbst rechtfertigen könnte. Man muss für sich selbst einstehen – ohne jede Möglichkeit, auszuweichen, ohne Beschönigung. Das ist nicht für jeden angenehm, aber der Paukant lernt, sich selbst einzuschätzen und in einer selbst und freiwillig auferlegten Gefahrensituation für sich zu bestehen.


Bei der Mensur gibt es keinen Sieger. Selbst wer einen Treffer einstecken musste ist damit nicht als Verlierer festgelegt. Vielmehr sollten am Ende der Partie beide Paukanten etwas gewonnen haben, nämlich eine außergewöhnliche Erfahrung.

Und so kann das Bestehen dieser selbstgewählten, kalkuliert gefährlichen Situation und die Auseinandersetzung mit der eigenen Angst charakterlich ein wichtiger Schritt sein. Denn wer sich ins Gedächtnis rufen kann, dass er selbst mit einer Mensur fertig geworden ist, für den verlieren andere Nervenproben, und sei es nur eine Klausur, eine Rede vor Publikum oder ein Bewerbungsgespräch, schnell ihren Schrecken.

bottom of page